"Verlorene Zeit: Eine schier übernatürliche U-Bahn-Reise von Sophie"
Es war ein grauer, regnerischer Tag, als Sophie in die U-Bahn stieg. Sie war erschöpft nach einem langen Arbeitstag und ließ sich in einer der Fensterbänke nieder. Schnell schloss sie die Augen, um einen kurzen Moment der Ruhe zu genießen. Der sanfte Rhythmus der fahrenden U-Bahn wiegte sie in einen tiefen Schlaf.
Als Sophie schließlich erwachte, fühlte sich etwas anders an. Die U-Bahn hatte angehalten, doch als sie die Augen öffnete, war die Sitzecke um sie herum leer. Staunend blickte sie umher – keine Menschen, nur der metallische Klang der stillstehenden Bahn und ein kalter Schauer, der ihr über den Rücken lief. Ein Blick auf die Uhr auf ihrem Handy offenbarte, dass sie weitaus länger geschlafen hatte, als sie gedacht hatte.
Mit einem mulmigen Gefühl im Magen drückte sie die Tür des Waggons auf und trat hinaus. Der Bahnhof, an dem sie sich befand, war niemandem bekannt. Nebel umhüllte die Wände in einer dichten Decke, während nur das schwache Licht von vereinzelt flackernden Neonlampen den Raum erhellte. Ihre Schritte hallten durch die leere Station. „Wo sind alle?“ murmelte sie, doch ihre Worte verhallten im Nichts.
Da bemerkte sie ein Schild an der Wand. „Bahnhof Stillwasser“, stand darauf geschrieben. Ein seltsamer Name, den sie noch nie gehört hatte. Sophie zog ihr Handy aus der Tasche und wollte ein Taxi rufen. Doch der Empfang war miserabel, das einzige Geräusch, das sie hörte, waren Störgeräusche, die sie frustrierten. Ihre Stirn runzelte sich, als sie sah, dass der Akku des Handys sich dem Ende zuneigte.
Sophie fühlte sich zunehmend unwohl. Der trostlose Bahnhof schien mehr Fragen aufzuwerfen, als sie beantworten konnte. Wo waren die anderen Passagiere? Warum war der Bahnhof so still? Ihre Gedanken schweiften ab, während sie umherging und nach einer Lösung suchte.
Plötzlich hörte sie ein leises Geräusch hinter sich und drehte sich abrupt um. Doch da war niemand. Ein kalter Windstoß ließ sie frösteln. Sie begann, durch den Bahnhof zu laufen, auf der Suche nach einem Ausgang oder vielleicht nach jemandem, der ihr helfen konnte. Doch die Nebelschwaden schienen sich mit jeder Ecke, die sie bog, nur dichter zu verbergen.
Nach einer Weile entdeckte sie einen kleinen Kiosk. Der Besitzer, ein älterer Mann mit einem gesicht voller Falten, saß hinter dem Fenster und starrte ins Leere. Sophie klopfte an das Glas und rief ihn an. Der Mann zuckte zusammen und blickte sie an, doch er sprach kein Wort. Verwirrt drückte sie die Hand gegen das Glas und sah in seine Augen. Irgendetwas stimmte nicht.
Schließlich warf sie einen Blick auf die verschiedenen Snacks und Getränke im Kiosk. Nichts, was sie kannte – alles war merkwürdig und verwirrend. „Hilfe!“, rief sie. „Können Sie mir sagen, wie ich hier rauskomme?“
Der Mann bewegte sich, aber sein Blick blieb leer. Plötzlich vernahm sie ein weiteres Geräusch hinter sich, diesmal lauter. Sie wollte sich umdrehen, doch der Mann hinter dem Kiosk öffnete hastig eine Schublade und zog eine vergilbte Karte hervor. Er hielt sie ihr entgegen, sein Ausdruck blieb unverändert. Mit zitternden Händen nahm sie die Karte. Die Worte „Sei vorsichtig“ waren auf die Rückseite gekritzelt.
Sophie fühlte sich unbehaglich. „Was bedeutet das?“ fragte sie eindringlich. Doch der Mann war bereits wieder ins Leere gestarrt, als ob er sie nicht hören könnte. Die Karte gab Sophie einen kleinen Anhaltspunkt, aber sie wusste nicht, wie sie die nächste Entscheidung treffen sollte.
Entschlossen, nicht länger untätig herumzustehen, ging sie weiter in die verlassene Station. Der Nebel schien sie fast zu umhüllen, während sie ihren Weg durch die Gespensterwelt suchte. Ihre Gedanken kreisten, während sie versuchte, alles zu begreifen. Sie schaute auf ihr Handy und stellte fest, dass der Akku auf weniger als 10 % gefallen war. Diesmal spürte sie Panik. Sie musste einen Ausweg finden.
Plötzlich hörte sie Schritte. Ihr Herz raste, und sie versteckte sich hinter einem der Spielerautomaten im Kiosk. Die Schritte kamen näher, und sie wagte es nicht, sich umzusehen. Lautlos versuchte sie, nicht zu atmen. Die Schritte hallten in der stillen Station, und ein Schatten bewegte sich vor ihr.
Dann, im nächsten Moment, öffnete sich die Behindertentür des Bahnhofs, und ein Lichtstrahl beleuchtete den Raum. Eine Gestalt trat ein – ein Polizist, der sie anstarrte. „Sind Sie in Ordnung?“ fragte er mit besorgter Stimme. Sophie atmete auf. „Ja, ich... ich habe keine Ahnung, wo ich bin!“ Sie sprang vor und erzählte ihm von allem, was geschehen war.
Der Polizist hörte aufmerksam zu, schüttelte dann den Kopf. „Das ist ein verlassener Bahnhof. Hier sollten keine Züge halten, die letzte Fahrt war vor Jahren. Sie haben Glück, dass ich hier bin.“ Er nickte ihr aufmunternd zu. „Kommt mit. Ich bringe Sie zurück.“
Sophie folgte ihm aus der Dunkelheit des Bahnhofs hinaus. Der Nebel schien sich zu lichten, als sie die frische Luft atmete und die Geräusche des Lebens wieder um sich herum hörte. Der Polizist führte sie zurück zur U-Bahn, die noch immer an der gleichen Stelle wartete. Gemeinsam stiegen sie ein. Als die Türen sich schlossen und der Zug wieder anfuhr, schloss sie die Augen, in dem Wissen, dass sie in Sicherheit war.
In diesem Moment verspürte sie eine tiefe Dankbarkeit – für ihre Freiheit, für die Menschen in ihrem Leben und für die wahre Realität, die sie oft als gegeben hinnehmen konnte. Die U-Bahn fuhr durch die Tunnel, und das Gefühl des Unbekannten war verblasst, ersetzt durch die Gewissheit, dass es immer einen Ausweg gibt, selbst aus den seltsamsten Orten.